Ich heisse Xhafer, bin 54 Jahre alt und arbeite seit über dreissig Jahren auf dem Bau in Zürich. Ich bin Baupolier und komme ursprünglich aus dem Kosovo. Ich bin damals in die Schweiz gekommen, um zu arbeiten, für meine Familie, für eine Zukunft. Auf dem Bau habe ich alles gelernt: hart zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen – und auch, dass man sich Respekt nicht einfach schenken lässt.
Ich erinnere mich gut an meine ersten Jahre hier. Früh aufstehen, raus in die Kälte, den ganzen Tag schuften, und am Abend völlig kaputt heimkommen. Damals dachte ich: «So ist das halt.» Aber irgendwann habe ich gemerkt – so muss es nicht bleiben. Heute bin ich Präsident der Baugruppe bei der Unia Zürich-Schaffhausen, und ich kämpfe mit meinen Kolleginnen und Kollegen dafür, dass wir Bauarbeiter endlich bekommen, was wir verdienen: Respekt, gute Arbeitsbedingungen und ein Leben, in dem auch Familie und Freizeit Platz haben.
Der Landesmantelvertrag (LMV) – das ist unser Fundament. Ohne ihn gäbe es kein faires Bauen in der Schweiz. Jetzt läuft er Ende Jahr aus, und wir kämpfen für einen neuen, besseren Vertrag. Für mich steht dabei eines im Zentrum: familienfreundliche Arbeitszeiten.
Ich habe zwei Kinder. Die sind inzwischen gross, aber ich habe zu viele Abende verpasst, zu viele Geburtstage, weil ich noch auf der Baustelle stand. Auf dem Bau heisst es oft: «Das muss fertig werden, egal wie lang’s dauert.» Aber irgendwann ist genug. Wir wollen keine 10-Stunden-Tage mehr, keine Schicht, die bei Regen oder Hitze ewig weitergeht, keine unbezahlte Reisezeit durch die halbe Deutschschweiz. Wir wollen Zeit, um mit unseren Familien zu essen, unsere Kinder zu sehen, auch mal durchschnaufen.
Ich kenne viele Kollegen, die nach Jahren auf dem Bau kaputte Rücken haben, kaputte Knie, und trotzdem weiterarbeiten, weil sie müssen. Sie geben alles – und werden oft behandelt, als wären sie austauschbar. Das ist nicht in Ordnung. Wir bauen die Häuser, die Strassen, die Schulen, die alle brauchen. Ohne uns steht alles still. Und trotzdem fehlt es oft an Respekt. Das darf nicht sein.
Darum bin ich in der Gewerkschaft aktiv. Ich habe gelernt: Nur gemeinsam sind wir stark. Wenn wir zusammenstehen – Schweizer, Migranten, Junge, Alte – dann hören sie uns auch. Wir haben schon vieles erreicht: Lohnerhöhungen, Sicherheitsstandards, Schutz vor Missbrauch. Aber es braucht immer wieder Druck. Die Baumeister wollen mehr Flexibilität – das heisst in Wahrheit: noch längere Tage, noch weniger Planbarkeit, noch mehr Stress. Noch weniger Zeit mit unseren Familien. Das machen wir nicht mit!
Wir fordern Respekt und planbare Arbeitszeiten, keine 12-Stunden-Tage, keine Wochenenden auf der Baustelle. Wir wollen, dass die Arbeit auf dem Bau wieder ein Beruf mit Stolz und Zukunft ist – auch für die nächste Generation.
Ich sage immer zu meinen Kollegen: Wenn wir schweigen, entscheiden andere über unser Leben. Wenn wir laut sind, wenn wir aufstehen, wenn wir zusammenhalten – dann können wir etwas bewegen. Ich habe das erlebt. Als wir letztes Jahr gemeinsam demonstriert haben, standen da hunderte Bauarbeiter, Schulter an Schulter. Das war ein starkes Gefühl. Da spürst du: Wir sind viele, und wir geben nicht auf.
Ich bin stolz, Bauarbeiter zu sein. Aber ich will auch, dass meine Arbeit respektiert wird. Dass meine Kinder sagen können: «Mein Vater arbeitet auf dem Bau – und das ist ein guter Job.» Dafür lohnt sich jeder Einsatz, jede Stunde Gewerkschaftsarbeit, jede Diskussion auf der Baustelle.
Der neue Landesmantelvertrag ist unsere Chance. Eine Chance, den Bau fairer zu machen, menschlicher und moderner. Wir sind keine Maschinen – wir sind Menschen mit Familien. Und wir verdienen einen Vertrag, der das endlich anerkennt.
Xhafer Sejdiu, Baupolier und Baupräsident der Gewerkschaft Unia.
