JA zur Ehe für Alle!

Artikel

Gewerkschaftliche Gedanken in der P.S. Zeitung

Die Schweiz ist in vielen Themen nicht so modern wie es der Anschein hat oder auch gerne von Politiker:innen in die Welt hinaus posaunt wird. Besonders im Umgang mit Minderheiten zeigt sich dies deutlich. So hinkt die Schweiz bei der rechtlichen Gleichstellung von LGBTIQ-Menschen (lesbische, schwule, bisexuelle, trans, intergeschlechtliche und queere Personen) dem europäischen Umland seit 20 Jahren hinterher.

Obwohl eigentlich alle Menschen vor dem Gesetz gleich sein sollten, ist die zivilrechtliche Ehe ausschliesslich heterosexuellen Menschen vorenthalten. Diese Ungerechtigkeit wurde schon vor langer Zeit erkannt und der politische Prozess für die «Ehe für Alle» wurde gestartet. Bekannterweise mahlen die Mühlen in Bundesbern besonders langsam, sodass die Beseitigung dieser diskriminierenden Ungleichbehandlung nun schon fast ein Jahrzehnt andauert.

Leider muss ich hier in der Gegenwart sprechen, weil konservative und evangelikale Kreise mit Unterstützung der SVP erfolgreich das Referendum gegen die vom Parlament mit grossem Mehr verabschiedete Vorlage ergriffen haben. Die «Ehe für Alle» bringt nicht nur das Recht auf Eheschliessung, sondern auch die erleichterte Einbürgerung der Partner:innen sowie die gemeinsame Adoption und – für Frauenpaare – den Zugang zu Samenspenden in der Schweiz. All diese für heterosexuelle Paare selbstverständlichen Rechte werden gleichgeschlechtlichen Paaren auch mit der bereits seit 2007 existierenden «eingetragenen Partnerschaft» bis heute vorenthalten.

Mit der Öffnung der Ehe wird niemandem etwas weggenommen. Für die Ehe zwischen Mann und Frau ändert sich überhaupt nichts. Wer jedoch als Arbeitnehmer:in in einer eingetragenen Partnerschaft lebt muss sich gegenüber der Arbeitgeberin auch immer als schwul oder lesbisch outen. Dieses Zwangsouting kann sich noch immer negativ am Arbeitsplatz auswirken.

Die Arbeitswelt ist leider noch nicht so vorurteil- und diskriminierungsfrei wie sie sein sollte. Stigmatisierungen und Diskriminierungen finden auch am Arbeitsplatz statt, wo homo- und bisexuelle Menschen oft unter Hänseleien, obszönen Bemerkungen, sozialer Ausgrenzung und dem sogenannten Zwangsouting leiden. Auch wer die eingetragene Partnerschaft gerichtlich auflöst, ist nicht «geschieden», wie das bei heterosexuellen Paaren nach einer Scheidung der Fall ist, sondern hat den Zivilstandseintrag «in aufgelöster Partnerschaft» und wird damit meistens auf Lebzeiten zwangsgeoutet.

Die Ehe für alle stärkt die Gleichberechtigung und das Selbstverständnis von homo-  und bisexuellen Menschen in der Arbeitswelt. Dies führt zu mehr Offenheit und Inklusion, was wiederum die Arbeitszufriedenheit steigert, und das dient sowohl Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgebenden. Ausserdem erhöht die Ehe für alle, bedingt durch das gestärkte Selbstverständnis, die Sichtbarkeit homo- und bisexuellen Menschen in der Arbeitswelt. Diese Sichtbarkeit – und zwar auf allen Hierarchiestufen – schafft Vorbild- und Ansprechpersonen für homosexuelle und bisexuelle Arbeitnehmer:innen innerhalb der Arbeitswelt.

Die Sichtbarkeit wird allerdings nur dann nachhaltig gestärkt, wenn es nicht wie oben beschrieben zu einem Zwangsouting kommt, sondern es den homo- und bisexuellen Menschen freisteht, zu entscheiden, wann sie sich wem gegenüber outen wollen. Diese Entscheidungsfreiheit wird mit der Einführung der Ehe für alle Realität, indem sie auch für homo- und bisexuelle Menschen den Zivilstand «verheiratet» resp. «geschieden» bringt.

Am 26. September haben die Stimmberechtigten die historische Chance Gleichstellung zu schaffen. Weil Liebe Liebe ist. Ja zur Ehe für alle!

Elias Toledo (Stv. Generalsekretär des Personalverband des Bundes) 

Top