Arbeitskampf bei presto

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Gewerkschaftliche Gedanken

Vor gut zwölf Jahren begann ich bei presto zu arbeiten. Schnell erfuhr ich, wie unterschiedlich jeder Chef die Verträger:innen behandelt. Nach ein paar Jahren bekam ich die Möglichkeit in der Personalkommission mitzuwirken. Durch die Vernetzung der presto Personalkommissionen kam ich in Kontakt mit erfahrenen Mitgliedern. Somit wurde schnell klar, welche Missstände herrschen. Bei meiner ersten GAV-Verhandlung bereiteten wir uns gründlich vor. Die Aussagen von Seiten des Arbeitgebers waren vernichtend und enttäuschend. Wenn der Mindestlohn um gerade einmal fünf Rappen erhöht wird, kann man nicht stolz sein! Das ergibt gerade einmal 26 Franken mehr im Jahr. Dazu kam noch, dass vor allem Verträger:innen profitierten, die am wenigsten lange bei presto arbeiteten. Vier Jahre brauchten wir um das neue Spesenreglement durch zu bringen. Dies gelang uns nur mit maximaler Entschlossenheit: Ohne dieses Zugeständnis hätten wir den GAV nicht verlängert!

Corona bedeutete für viele Verträger:innen Mehrarbeit: Viele machten dauernd zwei Touren. Das brachte die Leitung dazu, die Touren zu optimieren. Sie wurden grösser, das heisst man hatte mehr Strassen, mehr Häuser und mehr Zeitungen. Die Personal-Kommission wurde nie mit einbezogen, obwohl wir laut Mitwirkungsgesetz und PeKo-Reglement sogar ein Mitspracherecht haben.

Alle diese Verfehlungen brachten uns immer mehr in Rage. Bei jeder Lohnerhöhung war es unser Ziel, dass alle etwas davon haben. Bei der letzten Lohnerhöhung durch die Postcom auf 19 Franken erklärte presto, dass alle Mitarbeitenden 3.6% bekommen. Doch das stimmt nicht: 46% der Verträger:innen bekommen gar nichts! Von den anderen 54% haben viele auch weniger. Ich selbst bekam 2.4%, andere nur 0.25%. Eine Kollegin, die seit einem viertel Jahrhundert bei presto arbeitet, hat zum ersten Mal seit 13 Jahren eine Lohnerhöhung von 5 Rappen erhalten, nachdem sie vor 14 Jahren 2.4 Lohnprozente abgeben musste.

Wir müssen um jeden Rappen kämpfen! Vielleicht auch mal ein Jahr einstecken und nichts herausholen. Aber der Arbeitgeber weiss, dass die Arbeitnehmer:innen ihren Kampf ernst nehmen. Ich wäre gerne in den weiteren Arbeitskampf gegangen. Und ich weiss, dass wir am Ende gewonnen hätten.

Die grösste Schwierigkeit, die wir haben, ist unsere Kolleg:innen zu treffen und sie zu informieren. Ebenso haben wir Mühe mehr Mitarbeiter:innen in die Gewerkschaft zu holen. Wir von der PeKo sind auch alle Zeitungsverträger:innen, deshalb können wir uns nicht an ein anderes Depot begeben um mit diesen Verträger:innen zu sprechen. Auch wollen die einzelnen Verträger:innen möglichst schnell auf die Tour, damit sie pünktlich fertig werden. Die Depots sind verstreut und pro Depot kann man zwischen drei und zwölf Verträger:innen finden. Darum haben wir grosse Schwierigkeiten uns noch besser zu organisieren, was ich sehr bereue, denn wenn wir mehr mutige Mitglieder gehabt hätten, wären wir mit dem Kampf weiter gegangen.

Jetzt wurde ein schlechtes Angebot angenommen – welches wir einmal abgelehnt haben, damit wir wenigstens etwas haben. Wenn wir das Gesamtbild betrachten ist es ein Armutszeugnis für den Arbeitgeber: Erst in sieben Jahren soll unser Lohn von 19 auf 21 Franken erhöht werden! Wenn ich in der NZZ lese, dass die letzte Druckerei 2032 schliesst, wird mir Angst und Bange. Wenn ich dann noch lese, dass es ab 2032 keine Frühzustellung mehr braucht, ergibt das ein erschreckendes Bild!

Wenn ich schon weiss, dass ich diese Arbeit verlieren werde, warum haben wir nicht das Anrecht auf einen fairen Lohn? Warum lässt man uns im Glauben die 21 Franken erreichen zu können? Warum lassen unsere Chefs ihre Angestellten an der ausgestreckten Hand verhungern? Mein Traum ist es noch einen Lohn zum Leben zu bekommen. Deshalb kämpfe ich weiter!

Susanna Bosshard, presto-Verträgerin und Syndicom-Vertrauensfrau

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