Die Mieten sind gemäss BFS zwischen 2009 und 2024 um 18 Prozent gestiegen, während das allgemeine Preisniveau im selben Zeitraum nur um gut sechs Prozent zunahm. Dabei handelt es sich um eine nationale Durchschnittszahl: Neumieten in Städten sind selbstverständlich noch viel stärker in die Höhe geschossen.
Hinter solchen Zahlen stecken Schicksale. Schicksale von Hunderttausenden von Haushalten, die sich das Wohnen kaum mehr leisten können. Selbstredend oft auch dann nicht, wenn sie voll in den Arbeitsmarkt integriert sind. Wie behelfen sie sich? Sie nehmen immer mehr Unannehmlichkeiten in Kauf, sparen sich die Miete "vom Mund ab" oder treten immer längere Pendelwege an.
Gleichzeitig steckt die Immobilienlobby, de facto am Gesetz vorbei, Milliardengewinne ein und wischt sämtliche Vorwürfe vom Tisch. Es sei halt alles ein Problem von Angebot und Nachfrage. Gäbe es nicht so viele Einsprachen und Vorgaben, würde sofort genug gebaut ("auch preisgünstig": wer's glaubt!). Und hätten die Leute heute nicht eine so überdehnte Anspruchshaltung, würde wieder näher zusammengerückt und die Wohnungen wären weniger unterbelegt.
Alles vorgeschoben! Denn selbst wenn man sich auf solche Argumente einlässt und entsprechende Vorschläge macht, wird in der Praxis gemauert (wobei mit "Mauern" ganz und gar nicht das Bauen gemeint ist). Bestes Beispiel dafür: Die Forderung nach einem mietpreisneutralen Wohnungstausch. Könnten junge Familien ihre zu kleinen Wohnungen ohne Mietsprung mit den zu grossen Wohnungen von RentnerInnen abtauschen, wäre allen geholfen. Was braucht es dazu? Rein gar nichts: keine Revision des Einspracherechts, keinen Wohnbaufonds, lediglich die simple Anpassung eines Gesetzesparagrafen. Doch auch das wird von den VermieterInnen abgelehnt. Wohnungstausch? Klar, "aber bitte mit (Ab-)Sahne"! Will heissen: nur zu jeweils viel höheren Neumieten, man gönnt sich ja – und vor allem den MieterInnen –sonst nichts.
Zwischenfazit: Die Wohnpolitik ist in einer Sackgasse, es braucht endlich eine Offensive. Und zwar auf vielen Ebenen. Der gemeinnützige Wohnungsbau muss stärker gefördert werden – vor allem auch ausserhalb der wenigen in diesem Bereich überhaupt aktiven Städte. Es braucht ein nationales Vorkaufsrecht für die öffentliche Hand und unbedingt auch (mehr) sozialen Wohnungsbau. Doch im Mindesten muss das geltende Recht endlich durchgesetzt werden. Das ist letztlich genau das, was die von den Gewerkschaften unterstützte Mietpreis-Initiative des MieterInnenverbands fordert.
Das Mietrecht gibt heute eigentlich vor, wie Mieten berechnet werden müssen. Dabei sollen die entstandenen Kosten gedeckt und eine angemessene bzw. gedeckelte Rendite erzielt werden können. In der Realität ist dies bekanntlich Makulatur – missbräuchliche Renditen sind gang und gäbe. Von selbst werden die Mietpreise aber nie auf ein gesetzeskonformes Niveau sinken. Dafür braucht es eine gesetzlich zwingende Überprüfung sowie – ein für alle Mal – eine Verfassungsbestimmung, wonach Mietpreise eine angemessene Rendite nicht übersteigen dürfen. Beides fordert die Mietpreis-Initiative. Wird diese dereinst in einer Volksabstimmung durch eine wuchtige Mehrheit der Bevölkerung bestätigt, werden sich die Immobilienkonzerne im Einzelfall nicht mehr einfach auf dehnbare Gesetzesformulierungen berufen können.
Kurzum: Die arbeitende Bevölkerung muss wieder vernünftig wohnen können. Die "15-Minuten-Stadt", mit kurzen Arbeitswegen und noch dazu mit bezahlbaren Mieten, scheint heute für viele eine weit entfernte Utopie. Doch wieso eigentlich? Weil wir uns schon viel zu lange an die aktuelle, wortwörtlich zu Unrecht unbequeme Situation gewöhnt, beziehungsweise gezwungenermassen damit arrangiert haben. Das sollte, und kann, ein baldiges Ende haben.
Reto Wyss – SGB-Zentralsekretär
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